Verehrte Leser,
wissen Sie eigentlich, was ein „Gambler“ ist? „Gambling“ ist ein Begriff, der ursprünglich aus dem Glücksspiel stammt. Etwas allgemeiner formuliert könnte man sagen: Wer auf den Ausgang eines Ereignisses setzt, obwohl zu dem Zeitpunkt des Setzens die Erfolgschancen wissentlich gering sind oder aber gar kein konkreter Anhaltspunkt auf einen möglicherweise eintretenden Erfolg erkennbar ist, der ist ein „Gambler“.
Hunderttausende verprellte Anleger denken nun an ihren Anlageberater, der im Zuge der Finanzkrise ein ähnliches Spiel mit einem nicht kalkulierbaren Risiko gespielt hat. Zu Recht. Doch dieses Spiel ist noch lange nicht zu Ende. Das Web 2.0 zeigt der Finanzbranche neue Möglichkeiten auf und belegt:
Die Banken haben immer noch (fast) nichts dazu gelernt!
Die Gier in neuer Form
Das Mitmach-Internet, neudeutsch Web 2.0 genannt, hat nicht nur die Kommunikation völlig verändert, auch das Business funktioniert nun anders. Der eingeklammerte Passus „fast“ suggeriert, dass die Finanzbranche im Ausklang einer der schwersten Krisen aller Zeiten lediglich eines dazu gelernt hat – den Hauptschuldigen namens Gier den neuen Möglichkeiten anzupassen.
Man hat erkannt, dass das Web 2.0 mit seinen sozialen Netzwerken auf Mitmachen, Zuhören und Austausch basiert. Also vor allem auf Empfehlungen und Abraten. Nur den wenigsten Anlageberatern ist etwas wie Schuld ins Gesicht geschrieben, aber alle haben verstanden, dass das Vertrauen zwischen Kunden und Anbietern erheblich gelitten hat. Um diesen Zustand zugunsten der Banken wieder auszubügeln, wird nun kräftig in Social Media Marketing investiert.
So weit dies im Sinne des eigentlichen Begriffs geschehen würde, also wenn man in Zukunft mit statt am Kunden arbeitet, wenn man Kritik annähme, aus Fehlern lernen und dem Kunden in seinem Sinne beraten würde, wäre dies nicht verwerflich. Allerdings ist dies nicht der Fall. Im Gegenteil, es ist zu vermuten und bereits vereinzelt zu beobachten, dass nahezu jede Bank versuchen wird, durch Social Media Marketing den Betrug am Kunden weiter zu fördern.
Der offene Austausch wird auch in Zukunft vermieden
In der Praxis sieht das dann wie folgt aus: Auch wenn branchenmäßig noch eine dezente Zurückhaltung gegenüber dem Web 2.0 zu spüren ist, einige Finanzdienstleister setzen die neuen Möglichkeiten bereits ein. Andere, so zeigen es Umfragen und Studien, werden ihr Engagement in Social Media bis 2013 deutlich steigern. 40 Prozent der befragten Institute stecken bereits mitten in der intensiven Planung ihrer sozialen Präsenzen. Auffällig dabei: Vor allem Auftritte in beruflichen und karrieristischen Netzwerken sollen forciert werden.
Der offene Austausch wird trotz des klaren Bedarfs nach direkter und ehrlicher Kommunikation weiter vermieden. Stattdessen – und so ist es leider deutlich zu vermuten – setzt man lieber auf gefakte Kommentare, Bewertungen und Empfehlungen. Gerade auf Bewertungsplattformen und innerhalb der Karriere-Netzwerke werden also auch in Zukunft die gleichen Halbwahrheiten, marketingtechnisch hübsch verpackt, verbreitet werden. Der erhoffte, ehrliche Dialog oder aber die erbetene, vertrauensfördernde Transparenz – auf beides wird wohl auch im Web 2.0 verzichtet werden.
Warum? Weil das Spiel dann nicht mehr funktioniert. Weil die Gier so nicht befriedigt werden kann. Oder aber, weil das nicht ins Berufsbild des professionellen Gamblers passt.
Herzliche Grüße
Robert Nabenhauer