Die Kraft innerer Bilder. Wie Träume und Visionen unser Denken und Handeln steuern

von Robert Nabenhauer

Von Dr. Constantin Sander

Bodenhaftung ist ja durchaus eine Qualität. „Immer schön realistisch bleiben und kühlen Kopf bewahren“  ist eine häufig gehörte Lebensweisheit. Sicher, man riskiert scheinbar wenig, wenn man immer schön am Boden bleibt. Wer nicht abhebt, kann auch nicht abstürzen. Aber hier stellt sich die Frage: Was ist eigentlich real? Wirklichkeit entsteht erst in unserem Kopf und in einem sozialen Umfeld ist Realität immer das Ergebnis von Kommunikation. Wie wir Dinge wahrnehmen und interpretieren, hat nichts mir objektiver Wahrheit zu tun. Ein Beispiel: Offene Kritik am Verhalten anderer Menschen mag im mitteleuropäischen Umfeld ein adäquates Verhalten sein, in Japan zum Beispiel gilt das als unangemessen bis anmaßend. Kulturen prägen auch Wahrnehmungen und damit auch Wahrheiten.

Das ist die eine Dimension von Wirklichkeit. Eine weitere ist noch viel spannender. Es ist nämlich die Dimension des „als-ob“. Wir lassen uns nämlich nicht nur durch Wahrnehmungen leiten, sondern auch durch Annahmen und Projektionen. Oft genug nehmen wir bestimmte Umstände an, z.B. Erwartungen anderer an uns. Oder wir erwarten, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt – ohne wissen zu können, ob es tatsächlich eintritt. Wenn jemand zum Beispiel erwartet, dass er von seinem Chef wertschätzend und freundlich behandelt wird, wird er sich dem Chef gegenüber anders verhalten, als wenn die Erwartung überwiegt, dass der Chef eher geringschätzend und unfreundlich auftritt. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Wenn Sie erwarten, dass Sie eine wichtige Prüfung nicht bestehen werden, dann werden Sie sich von diesem Gedanken leiten lassen. Sie werden sich eventuell mehr anstrengen – oder aber schon im Vorfeld innerlich resignieren. Dies sind Beispiele, die wenig mit der tatsächlichen Realität, aber umso mehr mit angenommener Realität zu tun haben.

So wird vielleicht deutlich, dass wir so bodenständig nicht sind. Wir heben oft genug ab in die Welt der Projektionen, Erwartungen und Assoziationen. Das ist auch gut so, denn dadurch können wir uns auch in unsicherem Terrain bewegen und unsichere Zukunft vorwegnehmen. Jeder kann das. Sie auch. Das ist eine Kompetenz. Aber es geht noch weiter: Sie können diese Kompetenz noch gewinnbringender einsetzen. Denn wir wissen inzwischen aus der Hirnforschung, dass Imaginationen, also innere Bilder, neuronal die gleiche Wirkung haben können wie reales Erleben. Es ist also ziemlich gleichgültig, ob wir etwas real erleben oder imaginieren. Wir können das „als-ob“ ganz gezielt für Veränderungsprozesse einsetzen. Wir erweitern damit das scheinbar Reale durch das Mögliche.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Wenn Sie ein Ziel anstreben, dann sollten Sie eine ungefähre Vorstellung davon haben, wie der Zielzustand beschaffen ist. Das betrifft nicht so sehr die messbaren Fakten wie z.B. das Gehalt eines erwünschten Jobs oder der Preis eines erwünschten Hauses. Sondern es betrifft vor allem die erlebbaren Eigenschaften des Ziels. Wie sieht es aus, wie hört oder fühlt es sich an, wie riecht oder schmeckt es? Nur was Sie sich vorstellen können, taugt als starkes Ziel.

Warum ist die sinnliche Imagination des Ziels so wichtig? Weil es auch Emotionen weckt. Verbinden sich diese Imaginationen mit positiven Emotionen, dann wird Ihr Ziel umso zugkräftiger.

Oft sind das Visionen unwillkürlichen, fließend-bildhaften Erlebens. Man nennt das auch Trance. Sie erleben täglich solche Zustände. Sei es, dass Sie beim Zuhören in einem Vortrag plötzlich feststellen, dass Ihre Gedanken abschweifen, sei es, dass Ihnen beim

Autofahren plötzlich ein Teil der gefahrenen Strecke in der Erinnerung fehlt. Dann ist Ihr innerer Autopilot gefahren und Ihr gedanklicher Fokus war woanders.

Diese Zustände sind mehr als Träume oder Tagträume. Es sind Bewusstseinszustände, die Ihnen Zugang zu unbewussten Anteilen Ihrer Erfahrung ermöglichen. Durch das freie Assoziieren können Sie daher auch Zugang zu verborgenen Potentialen erreichen und es ist besonders wichtig für kreative Prozesse. Immer dann, wenn Ihnen das strukturierte willkürliche Denken nicht mehr weiterhilft, sollten Sie dieses unwillkürliche, trancehafte Erleben zulassen. Niels Bor entwickelte sein Atommodell auf diese Weise – er sah es im Traum. Und die Biologen Watson und Crick assoziierten beim Anblick einer Wendeltreppe ein mögliches Modell für die DNA. Es stellte sich als brauchbar heraus. Für diese Entdeckung erhielten sie später den Nobelpreis.

Viele Menschen lassen sich durch negative Visionen leiten. Wer Misserfolg erwartet, der läuft Gefahr sich so zu verhalten, dass der Misserfolg tatsächlich eintritt. Aber Misserfolg ist eben immer nur eine Option. Gerade in Veränderungsprozessen ist es daher sehr wichtig, positive Imaginationen aktivieren zu können. Das ist insbesondere eine Form des Erlebens, dass Ihnen unter die Haut geht. Nur was Sie berührt, wird Sie auch bewegen. Es sind nicht primär die Kompetenten, die geistigen Überflieger, die Karriere machen. Mittelmaß, gepaart mit der Fähigkeit, positive innere Bilder zu aktivieren, zu träumen ist oft das bessere Erfolgsrezept. Denn letzteres führt zu einer höheren Motivation.

Aber natürlich brauchen wir beides: Unsere strukturiert-bewusste Steuerung und unsere Fähigkeit zum unwillkürlichen aber bewussten Erleben von Trancen. Ersteres ist für konzentriertes, planerisches Arbeiten unerlässlich. Letzteres benötigen wir für kreative Phasen und für die Aktivierung hilfreicher emotionaler Potentiale.

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