„Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel“ – Warum Führungskräfte diese 6 Eigenschaften von Helmut Schmidt brauchen
Damals war ich kein großer Helmut-Schmidt-Fan. Als er 1982 als Kanzler abtrat, erschien mir als 17Jährige seine Politik zu konservativ und liberal. Für mich war er ein Prinzipienreiter, und ich stand damit nicht alleine. Doch mit Helmut Schmidt ist es dann schnell geworden wie mit Depeche Mode – deren Musik zu hören, hätte 1982 niemand zugeben dürfen, ganz anders als heute. Inzwischen sehe ich die Sache mit den Prinzipien auch grundlegend anders. Die Psychologie des Helmut Schmidt bietet Orientierung für Führungskräfte – gegen die Fähnchen im Wind, die sonst so durch die Gegend flattern. Selbstreflexion ist die reife Form des Selbstzweifels. Menschen, die selbst reflektiert sind, stellen sich immer wieder in Frage, aber nicht um darüber ängstlich und unsicher zu werden wie die Selbstzweifler, sondern um sich von innen zu stärken. Helmut Schmidt reflektierte viel. Er war in der Lage, seine Meinung von gestern zu revidieren. „Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel“, wird ihm als Zitat oft zugeschrieben. Es scheint jedoch ursprünglich vom Bertrandt Russel zu stammen, einem pazifistischen Mathematiker und Philosophen. Doch auch wenn Schmidt diesen schlauen Satz nicht erfunden hat, so ist er doch spezifisch für Menschen wie ihn. Die Gescheiten zweifeln. Sie stellen ihre Ansichten in Frage, wenn auch nicht sich selbst. Reflexion schützt vor Dummheit. Deshalb fürchten all die Fanatiker nichts so sehr wie eine offene Reflexion! Intregre Menschen denken an das große Ganze und nicht nur an sich selbst oder ihre direkte Bezugsgruppe. Sie handeln auch dann ehrlich und im Sinne der Gemeinschaft, wenn andere nicht prüfen, überwachen und die Einhaltung der Gesetze kontrollieren. Sie brauchen keine Regeln und Gesetze von außen, keine Kontrolle durch Gesetze, denn sie verhalten sich korrekt und redlich, auch wenn keiner hinschaut. Integrität ist das wichtigste Gut in unserer Welt. Sie hindert Menschen daran, dem Ruf des Egos und des eigenen Vorteils zu folgen. Integrität ist ethisch Selbsttreue und moralisch Rechtschaffenheit. Immer verbunden auch mit Selbstdisziplin. Für Führungskräfte ist innere (ich verhalte mich integer) und äußere Integrität (andere sehen mich berechtigt als integer an) ein wichtiges Ziel. Personaler sollten meiner Meinung nach viel mehr nach Integrität in der Persönlichkeit forschen. Dafür müssen sie aber selbst integer sein… Ein Volkswagenskandal wäre undenkbar mit integrem Führungspersonal. Intelligenz heißt Bildungsfähigkeit. Deshalb gehen Bildung und Intelligenz immer Hand in Hand. Helmut Schmidt war ein gebildeter Mensch, der viel las. Er konnte aufgrund einer Vielfalt von Wissen in vielen Bereichen abstrahieren und Muster und Zusammenhänge erkennen. Das ist keine selbstverständliche Fähigkeit. Mich erstaunt oft, wie wenig Führungskräfte außerhalb ihres Fachbereichs lesen. Helmut Schmidt hatte eine vermutlich sehr hohe kristalline Intelligenz, die nebenbei gesagt auch vor Altersdemenz schützt. Er hat immer weiter und immer wieder gelernt. Wer als Führungskraft strategische Entscheidungen trifft, muss klüger, weitsichtiger und belesener sein als andere. Er muss über die Grenzen des Fachbereichs hinaussehen können, und das gelingt nur mit einem breiten Interesse an vielen Themen. Die Bedeutung der Bildung wird oft unterschätzt – und Führungsfähigkeit gerade in den letzten Jahren auf reine Kommunikations- Handlungskompetenzen reduziert. Helmut Schmidt hatte die Fähigkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden – auch gegen den Strom. Er hatte einen eigenen Standpunkt, völlig egal wohin der Mainstream lief. Diese “eigenwillige” Haltung ergibt sich aus dem Motiv Unabhängigkeit. Eine solche Fähigkeit haben nur wenige Menschen. Wenn sie zusammenkommt mit Wissen, Bildung und Integrität lässt sie meinungsstarke Menschen heranreifen, die für andere Vorbild sein können. Es kann allerdings sein, dass mit der Eigenwilligkeit auch ein gewisser Starrsinn einhergeht, sichtbar in Schmidts Sonderstellung als Raucher. Aber jede gute Seite hat eben immer auch ihre Übertreibung. Schmidts harte Haltung gegenüber der RAF war mir damals nicht sympathisch. Rückblickend hat er nach klaren ethischen Prinzipien gehandelt und das Prinzip höher bewertet als die aktuelle Situation, ganz im Sinne Immanuel Kants. Ob er immer so war? Prinzipientreue unterscheidet sich grundlegend vom Prinzipienreiten. Prinzipientreue muss reifen. Schmidts Rolle in der Nazizeit ist nach wie vor mindestens unklar. Ob er seine Prinzipien da schon hatte? Oder ob die Erfahrung diese haben wachsen lassen? Vieles spricht für mich für letzteres: Prinzipien entwickeln sich dynamisch als handlungsweisende Ableitungen von Werten. Dann bieten sie Orientierung für viele. Wer echte Prinzipien lebt, ist außerdem in der Lage zu erkennen, dass widersprüchliche Prinzipien nebeneinander bestehen können. Helmut Schmidt war nicht religiös, aber er hielt Religion für wichtig, weil sie Werte vermittelt. Religion ist Opium für das Volk, schrieb Karl Marx… Was er nicht hören wollte: Es gibt ihm, dem Volk, eben auch Orientierung. Orientierungs- und wertelos, ungebildet und unreflektiert folgt ein Volk immer eher dem Dummen. Ein bisschen hebt Schmidt sich mit seiner Haltung damit über die Massen, denn er braucht die Religion selbst nicht, sieht sich aber als notwendig für andere an. Damit gibt er sich den Status des Besonderen. Aber besonders war er auch. Besonders weise. In den Big Five müsste Schmidt eine hohe Offenheit, hohe Stabilität, hohe Gewissenhaftigkeit und niedrige Verträglichkeit gehabt haben – also ein fast idealtypisches „Leader-Profil“. Im MBTI dürfte der damit ein ENTJ gewesen sein, ein Rationalist, eher extrovertiert, offen und intuitiv sowie konsequent – wie übrigens auch Napoleon, Bill Gates und Aristoteles, glaubt man den amerikanischen Celebrity-Portalen. „ENTJs are natural born leaders”, steht in einem Portal. Passt ja. Liebe Frau Hofert, mit diesem Vergleich haben Sie sehr treffend dargelegt, was die meisten Menschen an Helmut Schmidt geschätzt haben und welche seiner Fähigkeiten sie sich von Politikern aber eben auch von ihren Führungskräften wünschen. Besonders wichtig finde ich in dem Zusammenhang den “Blick über den Tellerrand” in Form von Bildung und die offene Auseinandersetzung und Diskussion über Ideen und abweichende Standpunkte. Und auch das ist etwas, was (glaubt man Zeitzeugen) mit Helmut Schmidt immer möglich und von ihm ausdrücklich gewünscht war. Die ehrliche Auseinandersetzung mit Ideen, die andere liefern oder auch mit abweichenden Einschätzungen praktizieren leider auch nur sehr wenige Führungskräfte. Herzliche Grüße nach Hamburg Claudia Hümpel Ich denke, was vielen an Helmut Schmidt besonders imponiert hat, ist die Tatsache, dass er neben einer Person vor allem eine Persönlichkeit war. Und mit seiner Persönlichkeit hat er andere (indirekt) aufgefordert, Stellung zu beziehen, selbst Persönlichkeit zu zeigen. Und Persönlichkeit(sentwicklung) ist etwas, von dem Unternehmen profitieren können… Du kannst folgende HTML-Tags benutzen:
Damals war ich kein großer Helmut-Schmidt-Fan. Als er 1982 als Kanzler abtrat, erschien mir als 17Jährige seine Politik zu konservativ und liberal. Für mich war er ein Prinzipienreiter, und ich stand damit nicht alleine. Doch mit Helmut Schmidt ist es dann schnell geworden wie mit Depeche Mode – deren Musik zu hören, hätte 1982 niemand zugeben dürfen, ganz anders als heute. Inzwischen sehe ich die Sache mit den Prinzipien auch grundlegend anders. Die Psychologie des Helmut Schmidt bietet Orientierung für Führungskräfte – gegen die Fähnchen im Wind, die sonst so durch die Gegend flattern. Selbstreflexion ist die reife Form des Selbstzweifels. Menschen, die selbst reflektiert sind, stellen sich immer wieder in Frage, aber nicht um darüber ängstlich und unsicher zu werden wie die Selbstzweifler, sondern um sich von innen zu stärken. Helmut Schmidt reflektierte viel. Er war in der Lage, seine Meinung von gestern zu revidieren. „Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel“, wird ihm als Zitat oft zugeschrieben. Es scheint jedoch ursprünglich vom Bertrandt Russel zu stammen, einem pazifistischen Mathematiker und Philosophen. Doch auch wenn Schmidt diesen schlauen Satz nicht erfunden hat, so ist er doch spezifisch für Menschen wie ihn. Die Gescheiten zweifeln. Sie stellen ihre Ansichten in Frage, wenn auch nicht sich selbst. Reflexion schützt vor Dummheit. Deshalb fürchten all die Fanatiker nichts so sehr wie eine offene Reflexion! Intregre Menschen denken an das große Ganze und nicht nur an sich selbst oder ihre direkte Bezugsgruppe. Sie handeln auch dann ehrlich und im Sinne der Gemeinschaft, wenn andere nicht prüfen, überwachen und die Einhaltung der Gesetze kontrollieren. Sie brauchen keine Regeln und Gesetze von außen, keine Kontrolle durch Gesetze, denn sie verhalten sich korrekt und redlich, auch wenn keiner hinschaut. Integrität ist das wichtigste Gut in unserer Welt. Sie hindert Menschen daran, dem Ruf des Egos und des eigenen Vorteils zu folgen. Integrität ist ethisch Selbsttreue und moralisch Rechtschaffenheit. Immer verbunden auch mit Selbstdisziplin. Für Führungskräfte ist innere (ich verhalte mich integer) und äußere Integrität (andere sehen mich berechtigt als integer an) ein wichtiges Ziel. Personaler sollten meiner Meinung nach viel mehr nach Integrität in der Persönlichkeit forschen. Dafür müssen sie aber selbst integer sein… Ein Volkswagenskandal wäre undenkbar mit integrem Führungspersonal. Intelligenz heißt Bildungsfähigkeit. Deshalb gehen Bildung und Intelligenz immer Hand in Hand. Helmut Schmidt war ein gebildeter Mensch, der viel las. Er konnte aufgrund einer Vielfalt von Wissen in vielen Bereichen abstrahieren und Muster und Zusammenhänge erkennen. Das ist keine selbstverständliche Fähigkeit. Mich erstaunt oft, wie wenig Führungskräfte außerhalb ihres Fachbereichs lesen. Helmut Schmidt hatte eine vermutlich sehr hohe kristalline Intelligenz, die nebenbei gesagt auch vor Altersdemenz schützt. Er hat immer weiter und immer wieder gelernt. Wer als Führungskraft strategische Entscheidungen trifft, muss klüger, weitsichtiger und belesener sein als andere. Er muss über die Grenzen des Fachbereichs hinaussehen können, und das gelingt nur mit einem breiten Interesse an vielen Themen. Die Bedeutung der Bildung wird oft unterschätzt – und Führungsfähigkeit gerade in den letzten Jahren auf reine Kommunikations- Handlungskompetenzen reduziert. Helmut Schmidt hatte die Fähigkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden – auch gegen den Strom. Er hatte einen eigenen Standpunkt, völlig egal wohin der Mainstream lief. Diese “eigenwillige” Haltung ergibt sich aus dem Motiv Unabhängigkeit. Eine solche Fähigkeit haben nur wenige Menschen. Wenn sie zusammenkommt mit Wissen, Bildung und Integrität lässt sie meinungsstarke Menschen heranreifen, die für andere Vorbild sein können. Es kann allerdings sein, dass mit der Eigenwilligkeit auch ein gewisser Starrsinn einhergeht, sichtbar in Schmidts Sonderstellung als Raucher. Aber jede gute Seite hat eben immer auch ihre Übertreibung. Schmidts harte Haltung gegenüber der RAF war mir damals nicht sympathisch. Rückblickend hat er nach klaren ethischen Prinzipien gehandelt und das Prinzip höher bewertet als die aktuelle Situation, ganz im Sinne Immanuel Kants. Ob er immer so war? Prinzipientreue unterscheidet sich grundlegend vom Prinzipienreiten. Prinzipientreue muss reifen. Schmidts Rolle in der Nazizeit ist nach wie vor mindestens unklar. Ob er seine Prinzipien da schon hatte? Oder ob die Erfahrung diese haben wachsen lassen? Vieles spricht für mich für letzteres: Prinzipien entwickeln sich dynamisch als handlungsweisende Ableitungen von Werten. Dann bieten sie Orientierung für viele. Wer echte Prinzipien lebt, ist außerdem in der Lage zu erkennen, dass widersprüchliche Prinzipien nebeneinander bestehen können. Helmut Schmidt war nicht religiös, aber er hielt Religion für wichtig, weil sie Werte vermittelt. Religion ist Opium für das Volk, schrieb Karl Marx… Was er nicht hören wollte: Es gibt ihm, dem Volk, eben auch Orientierung. Orientierungs- und wertelos, ungebildet und unreflektiert folgt ein Volk immer eher dem Dummen. Ein bisschen hebt Schmidt sich mit seiner Haltung damit über die Massen, denn er braucht die Religion selbst nicht, sieht sich aber als notwendig für andere an. Damit gibt er sich den Status des Besonderen. Aber besonders war er auch. Besonders weise. In den Big Five müsste Schmidt eine hohe Offenheit, hohe Stabilität, hohe Gewissenhaftigkeit und niedrige Verträglichkeit gehabt haben – also ein fast idealtypisches „Leader-Profil“. Im MBTI dürfte der damit ein ENTJ gewesen sein, ein Rationalist, eher extrovertiert, offen und intuitiv sowie konsequent – wie übrigens auch Napoleon, Bill Gates und Aristoteles, glaubt man den amerikanischen Celebrity-Portalen. „ENTJs are natural born leaders”, steht in einem Portal. Passt ja. Liebe Frau Hofert, mit diesem Vergleich haben Sie sehr treffend dargelegt, was die meisten Menschen an Helmut Schmidt geschätzt haben und welche seiner Fähigkeiten sie sich von Politikern aber eben auch von ihren Führungskräften wünschen. Besonders wichtig finde ich in dem Zusammenhang den “Blick über den Tellerrand” in Form von Bildung und die offene Auseinandersetzung und Diskussion über Ideen und abweichende Standpunkte. Und auch das ist etwas, was (glaubt man Zeitzeugen) mit Helmut Schmidt immer möglich und von ihm ausdrücklich gewünscht war. Die ehrliche Auseinandersetzung mit Ideen, die andere liefern oder auch mit abweichenden Einschätzungen praktizieren leider auch nur sehr wenige Führungskräfte. Herzliche Grüße nach Hamburg Claudia Hümpel Ich denke, was vielen an Helmut Schmidt besonders imponiert hat, ist die Tatsache, dass er neben einer Person vor allem eine Persönlichkeit war. Und mit seiner Persönlichkeit hat er andere (indirekt) aufgefordert, Stellung zu beziehen, selbst Persönlichkeit zu zeigen. Und Persönlichkeit(sentwicklung) ist etwas, von dem Unternehmen profitieren können… Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: