Warum Postwurfsendungen ungelesen in den Papierkorb wandern
Menschen ticken heute anders als noch vor wenigen Jahren. Sie sind misstrauischer geworden. „Ihnen, Herr Müller, machen wir heute ein ganz besonderes Angebot…“ Der gleiche Herr Müller, der sich vor Jahren durch ein solches Anschreiben geschmeichelt fühlte, ärgert sich heute darüber: Wieder einmal wurde seine Adresse an eine Werbefirma verkauft. Er hat nicht zu Unrecht den Eindruck, dass ihm jemand den Brief mit der personalisierten Anrede schickt, um ihm Geld aus der Tasche zu ziehen.
Die Adressaten der Werbung verweigern sich. Einerseits hat das damit zu tun, dass die Werbesendungen überhandgenommen haben. Werbung ist überall. Deshalb reagieren viele Menschen ablehnend darauf. Sie fühlen sich überschüttet von Verkaufsbotschaften und sie schotten sich ab, um ihre Ruhe zu haben. Der „Brief“ wandert unbesehen in die Ablage P, den Papierkorb.
Andererseits stört die Dreistigkeit. Denn auch auf anderen Kanälen werden potenzielle Kunden belästigt: Nach Feierabend klingelt das Telefon, eine junge Frau zwitschert etwas von den neuen Tarifen einer Telekommunikationsfirma. Unaufgefordert dringt sie in die Privatsphäre ein. Der erste oder zweite Anruf dieser Art wird vielleicht noch freundlich beantwortet, doch bald werden diese Telefonate nur noch abgewürgt. Wer aus Versehen sogar einmal den Telefonanbieter gewechselt hat, im Glauben, nur den Tarif zu ändern, wird besonders verstimmt reagieren. Denn inzwischen ist bekannt, wie die Masche läuft. Die Menschen sind darauf konditioniert, Werbung immer das Schlechteste zu unterstellen: Geldmacherei ohne adäquaten Gegenwert.
Die Menschen sind mündiger geworden, auch dank des Internets, in dem sie sich rund um die Uhr informieren können. Heute ist niemand mehr den Aussagen der Werbeversprechen ausgeliefert – diese können nachgeprüft werden. Gut, Werbung hat schon immer ein wenig geschwindelt und die Tatsachen geschönt. Das nimmt der Kunde in Kauf. Doch niemand ist bereit, sich komplett veralbern zu lassen. Werbung muss einen Kern an Information enthalten, um zu wirken. Wenn dieser Kern fehlt, die Werbung dafür aber Druck aufbaut, schreckt der Kunde zurück.
Daher müssen sich Werber umstellen. Werbung unterliegt heute neuen Regeln. Die Ansprüche an eine gute Kampagne sind gestiegen. Die meisten der sorgfältig ausgearbeiteten Werbemittel werden nicht beachtet. Werbeblöcke im Fernsehen werden weggezappt oder mit neuester Technik unterdrückt, Postwurfsendungen landen ungelesen im Papierkorb.
Traditionelle Werber tragen selbst die Verantwortung an der Misere. Denn sie haben den Wertewandel der Gesellschaft nicht nachvollzogen und die Grundregeln guter Werbung nicht verstanden. Ihr Kardinalfehler: Sie werben, ohne vorher Interesse zu wecken. Die Inhalte der Werbung haben sich geändert. Früher war Werbung mit Informationsvermittlung kombiniert. Heute konzentriert sich Werbung auf eine witzige Idee oder eine emotionale Botschaft. Das wird akzeptiert. Die Leute sehen die Werbung und amüsieren sich. Werbung dient in diesem Fall der Unterhaltung. Damit optimiert Werbung jedoch nur das Image eines Unternehmens, ohne die Produkte zu verkaufen. Sie erfüllt also nicht ihren Zweck.
Weder emotionaler noch zeitlicher Druck wird akzeptiert. „Kaufen Sie bis Ende des Monats, danach steigt der Preis“ – diese Masche funktioniert nicht mehr. Die Menschen haben nicht mehr das Gefühl, dass sie etwas verpassen, wenn sie auf ein solches Angebot nicht reagieren. Kein Angebot ist einzigartig. Das Internet hat 24 Stunden am Tag geöffnet – und das sieben Tage die Woche. Wer Interesse hat, findet dort stets ein Angebot, dass dem beworbenen ähnelt. Die Menschen sind es leid, von Werbung unter Zeitdruck gesetzt zu werden. Sie fühlen sich von dieser Art Werbung erpresst und machen dicht.
Der Kunde hat dazugelernt. Rücksichtslose und verlogene Werbekampagnen haben dazu geführt, dass der Kunde dem Anbieter die schlechtesten Absichten unterstellt – häufig zu Recht. Doch der Kunde hat heute neue Instrumente zur Hand. Falsche Werbeversprechen werden unerbittlich aufgedeckt. Früher war es mühsam, sich unabhängige Informationen zu besorgen. Dazu musste man sich durch die Ausgaben der Hefte von Stiftung Warentest arbeiten. Dann boomten die spezialisierten Testzeitschriften. Heute enthält jede Fachzeitschrift einen Testbericht –
PC-Zeitschriften veröffentlichen in jeder Ausgabe Ranglisten mit detaillierten Bewertungen. Im Internet sind Informationen zu Produkten und Dienstleistungen noch einfacher zu finden. Portale sammeln Kundenbewertungen, die jeder einsehen kann. Der Verbraucher ist also mündiger und informierter geworden.
Dies hat Konsequenzen für die Unternehmen. Fehler werden gnadenlos und in Windeseile aufgedeckt. Unfreiwillig bekannt wurde im Jahr 2002 das Unternehmen Kryptonite, das Fahrradschlösser herstellt. Im Internet kursierte ein Video, in dem ein Mann ein Schloss dieser Marke mit einem Kuli aufbricht. Und nicht nur das Schloss hatte eine Macke, auch das Krisenmanagement des Unternehmens war mangelhaft. Zuerst hat es gar nicht reagiert, während das Video immer bekannter wurde. Viel zu spät startete das Management eine teure Rückrufaktion und ein – für die Kunden – kostenloses Austauschprogramm. Doch das Image der Marke war ruiniert. Und zwar weltweit. Denn Videobotschaften im Internet haben keine Grenzen. Sie werden in Deutschland genauso wahr genommen wie in Japan.
Wenn sich ein amerikanischer Autohersteller also wundert, wieso die Markteinführung seinen Ford „Pinto“ in Brasilien zum Fiasko geriet, muss er sich eben auch in der Umgangssprache umhören. So ist ein „Pinto“ ein Spottwort für einen Mann, der von der Natur eher kärglich bedacht wurde. Und ein „Pajero“, wie ein japanischer Mitsubishi heißen sollte, ist im Spanischen einer, der sich mit seinem wie auch immer gewachsenen Teil selbst vergnügt. Beides sicherlich keine Empfehlung für einen Rassewagen.
Allerdings hat das Informationsangebot des Internets für Unternehmer auch eine positive Seite. Denn es hilft genauso, hervorragende Produkte und Dienstleistungen bekannt zu machen.
Also: Wenn ich gut bin, hilft mir das Internet – wenn ich schlecht bin, versenkt es mich in Grund und Boden.
Eine Voraussetzung für gelungene Werbung im Internet ist es, Informationen anzubieten. Denn wenn die Werbung inhaltsleer wird, suchen sich die Menschen ihre Informationen auf anderen Wegen, etwa in Internetforen. Sie lesen Testberichte, Bewertungen von Kunden auf Internetseiten oder klicken sich durch Portale, die Angebote vergleichen.
Während die Werbung immer extremer wurde, sind die Verbraucher mündiger und sensibler geworden. Diese gegenläufigen Trends erschweren es der Werbung immer mehr, ihre Zielgruppen zu überzeugen.
Werbung braucht Personal Relations
Erfolgreiche Werbung funktioniert so: Sie bietet Informationen und weckt damit Interesse. Der Kunde kann bei einer Hotline, über das Internet oder im Laden gezielt nachfragen und sich genauer informieren. Und erst dann, also wenn der Kunde konkret anfragt, wird ein Angebot unterbreitet. Im dritten Schritt verhandeln Kunde und Anbieter, bis sie sich geeinigt haben. Und zuletzt kann das Geschäft besiegelt werden.
Die Qualität eines Angebots und die Qualität der Werbung müssen zusammenpassen. Zu dieser Qualität gehört auch die Transparenz: Informationen dürfen nicht selektiv angeboten werden.
Im Prinzip richtig reagierte zum Beispiel McDonalds auf die Kritik von Ernährungsfachleuten, die die Fastfood-Nahrung als ungesund angriffen. Nach langem Zögern druckt McDonalds inzwischen Angaben zum Nährwert auf die Papiersets, die auf den Tabletts liegen. Jetzt kann jeder Kunde selbst nachlesen, wie viele Kalorien ein Hamburger enthält. Doch er muss sehr gute Augen haben, denn die Angaben sind mikroskopisch klein. Und er muss genau nachschauen: Beim Salat bitte das Extra-Dressing und bei den Pommes den Ketchup oder die Mayonnaise hinzurechnen. Ist die Portion klein, mittel oder groß? Dazu bitte die Cola nicht vergessen! Und die „Wahlzutat“ beim Dessert. Also auch hier muss der Verbraucher genau auf das Kleingedruckte achten.
Diese Reaktion war jedoch besser, als die Angaben der Kritiker zu bestreiten oder den Kaloriengehalt der Burger zu verschleiern. McDonalds hat verstanden, dass der Kunde erwachsen geworden ist und selbst entscheiden möchte, wie viele Kalorien er mit welchem Essen zu sich nimmt. Mit dieser Reaktion hat das Unternehmen der Kritik die Spitze gebrochen.
Der Aufstieg der sozialen Netzwerke und die Ablehnung von Werbung sind nur zwei Seiten der gleichen Medaille. Denn soziale Netzwerke schaffen die Voraussetzung für den aktiven und aufgeklärten Kunden, der nicht mehr zuhause auf dem Sofa sitzt und sich von Werbung berieseln lässt. Heute macht sich der Kunde selbst auf den Weg und hält Ausschau nach Angeboten, die seinen Interessen entsprechen. Der Kunde hat sich weiter entwickelt und er ist klüger geworden. Das Verhältnis zwischen Unternehmen und Kunden hat sich umgekehrt: Die Kunden sind selbstbewusst und informieren sich aktiv.
Die sozialen Netzwerke haben zudem die Möglichkeit geschaffen, viele Menschen kennen zu lernen und sie zu kontaktieren. Soziale Netzwerke haben die Geschwindigkeit der Kommunikation enorm erhöht. Daher steht die klassische Werbung vor einem Problem. Schlüssel und Schloss passen nicht mehr zusammen. Die klassische Werbung hat den falschen Schlüssel in der
Hand und wundert sich, dass die Tür zum Verbraucher nicht mehr aufgeht. Der einzige Weg, Werbung wieder glaubwürdig und erfolgreich zu machen, sind Personal Relations. Wenn Werbung von einem Absender kommt, den man persönlich kennt, wird sie auf jeden Fall wahrgenommen. Werbung muss daher darauf achten, nicht als solche aufzutreten, sondern neben den werbenden Argumenten auch Informationen vermitteln.
Hilfreich ist auch, Werbung mit kostenlosen Angeboten zu verbinden. Das Angebot eines Gratis-Musters wird fast immer angenommen. Im nächsten Schritt folgt ein Schreiben, dass eine neue Auflage des Musterexemplars anbietet – häufig führt dies zu einem Kauf.
Klassische Werbung hat die Möglichkeiten des Internets noch nicht verstanden. Es reicht nicht aus, herkömmliche Werbeformate einfach ins Internet zu übertragen. Die Neuen Medien haben ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten, die zu beachten sind. Wer im Internet wirbt, hat nicht automatisch eine innovative Kampagne gestartet.
Innovative Werbung ist global und integrativ
Die Unternehmen haben heutzutage keine Kontrolle mehr darüber, wer was wann mit wem kommuniziert. In Windeseile umrunden Nachrichten den Globus, wie auch das geschilderte „Pajero“-Beispiel zeigte. Wenn Nissan ein neues Modell „Pajero“ nennt, klingt das auf Deutsch zunächst nach einer Fantasiebezeichnung. Aber selbst die meisten Deutschen haben inzwischen mitbekommen, dass die Modellbezeichnung auf Spanisch eine obszöne Bedeutung besitzt. Nissan hat sich damit zum Gespött gemacht. Unternehmen sind also gezwungen, ihre Kampagnen global verständlich aufzuziehen. Sie müssen darauf achten, dass ihre Botschaft weltweit verstanden wird.
Im Gegenzug heißt das: Eine innovative Kampagne wird heute immer global gestartet. Dann wird sie auch global erfolgreich sein.
Eine erfolgreiche Werbung berücksichtigt nicht nur die Anforderungen des Internets. Eine reine Online-Kampagne bringt wenig. Denn eine gute Kampagne ist heute immer auch eine integrierte Kampagne: Sie nutzt alle Kanäle.
Damit steigen die Ansprüche an die Qualität der Werbung: Eine Idee muss nicht nur auf dem Plakat oder im TV-Spot funktionieren, sondern auch online und umgekehrt.
Maßgeschneiderte Werbebotschaften für Einzelpersonen
Die sozialen Netzwerke im Internet erlauben es, mit relativ wenig Aufwand persönliche Beziehungen zu einer großen Zahl von Menschen herzustellen. Das heißt nicht, dass man zusammen Kaffee getrunken oder sich überhaupt je gesehen hat. Eine persönliche Bekanntschaft im Netz besteht schon, wenn Menschen miteinander gechattet oder Mails ausgetauscht haben, wenn sie in der gleichen XING-Gruppe aktiv sind oder im gleichen Newsroom.
Diese Art der Personal Relations baut die Beziehungen auf, die es erlauben, Werbebotschaften gezielt an die richtigen Adressaten zu vermitteln und langfristig Geschäftsabschlüsse zu realisieren.
Außerdem ermöglichen die sozialen Netzwerke eine maßgeschneiderte Ansprache der Kunden. Werbung im Internet arbeitet daher nicht mehr mit Zielgruppen, sondern mit Zielpersonen. Jeder Kunde wird persönlich angesprochen, seine individuelle Situation und seine Interessen werden berücksichtigt. Dies praktiziert zum Beispiel der online-Buchhändler Amazon erfolgreich, indem er den Kunden anhand ihrer Buchauswahl weitere Kaufvorschläge macht: „Kunden, die dieses Buch gekaufthaben, haben auch folgende Titel erworben: …“
Es gibt also neben all den schlechten auch eine gute Nachricht für die Werber: Heute existiert ein Ort, an dem nahezu jeder immer ansprechbar ist – die sozialen Netzwerke im Internet. Sie sind ein geeignetes Instrument, um Bekanntschaften zu schließen und bekannt zu werden. Also um die Methoden der Personal Relations anzuwenden. Werbung wird nämlich nur dann abgelehnt, wenn der Absender dem Kunden nicht bekannt ist. Solche Werbung besitzt keine Glaubwürdigkeit. Das Grundprinzip erfolgreicher Werbung besteht also darin, Bekanntheit aufzubauen.
Dieses ist ein Auszug aus meinem Buch :
„Ich kenn dich – darum kauf ich“
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Viel Freude beim lesen.
Robert Nabenhauer