Wie die Webseite „gehalt.de“ herausgefunden hat, arbeiten zwei Drittel der Berufstätigen in Deutschland länger als vereinbart. Nur rund ein Viertel davon erhält für die geleistete Mehrarbeit eine Entschädigung.
Laut der „Gehaltsdatenbank“ von der Website „gehalt.de“ arbeiten 64 Prozent der Berufstätigen länger als vereinbart. Nur jeder Vierte wird von seinem Unternehmen dafür entschädigt. Ähnliches gibt auch „Eurofound“ wieder. In einer Studie zum Thema Überstunden fand die EU-Agentur raus, dass ein Arbeitnehmer durchschnittlich 2 Stunden und 36 Minuten pro Woche länger arbeitet. Während im Mittel lediglich 37,7 Stunden vertraglich vereinbart sind, arbeiten deutsche Arbeitnehmer regelmäßig 40,3 Stunden in der Woche. Nirgendwo anders leisten Arbeitnehmer so viele Überstunden wie in Deutschland.
Anzahl der maximalen Überstunden ist gesetzlich geregelt
Grundsätzlich scheint der Arbeitnehmer es leicht zu haben, sollte sein Chef ihm Überstunden aufschwatzen wollen. Denn wenn sich die beiden Parteien nicht auf eine individuelle Überstunden-Regelung geeinigt haben, dann kann der Arbeitnehmer die Mehrarbeit einfach ablehnen. Doch leichter gesagt als getan. Denn welcher Arbeitnehmer möchte sich bei seinem Chef unbeliebt machen, in dem er Überstunden ablehnt? Wohl niemand. Eigentlich müsste der Arbeitnehmer dem Unternehmen lediglich in Notfällen unter die Schulter greifen und länger als vereinbart arbeiten. Das regelt die Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber (§ 14 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz). Die Treuepflicht kommt zum Beispiel zum Einsatz, wenn das Unternehmen einen Maschinenausfall zu beklagen hat. Nicht zum Tragen kommt es, wenn der Arbeitgeber plötzlich große Aufträge bekommt, mehrere Arbeitskräfte ausfallen oder ein Streik im Gange ist.
Dabei grenzt das Gesetz die Möglichkeit der Ansammlung von Überstunden grundsätzlich ein. Denn mehr als 10 Stunden pro Tag darf ein Mitarbeiter nicht arbeiten. Auf einen Zeitraum von einem halben Jahr sind pro Woche lediglich 48 Arbeitsstunden erlaubt. Auch macht der Gesetzgeber Angaben zu aufeinanderfolgenden Schichten: Zwischen dem Arbeitsende und dem –beginn müssen mindestens elf Stunden liegen.
Fluch und Segen: 2015 eingeführte Dokumentationspflicht
Seitdem der Mindestlohn am 1.1.2015 eingeführt wurde, hat auch die Dokumentationspflicht bestand. Arbeitgeber sind seitdem nicht nur dazu verpflichtet, ihren Mitarbeitern mindestens 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen. Auch muss der Arbeitgeber nun in vielen Branchen die Arbeitszeit seiner Mitarbeiter erfassen und dokumentieren. Welche Branchen das sind, verrät eine PDF-Datei des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Wer sich nicht an die Zeiterfassung oder die Dokumentationspflicht hält, dem droht eine Strafe von bis zu 30.000 Euro. Der Arbeitgeber muss über die reine Arbeitszeit hinaus auch Überstunden, Fehlzeiten und Pausenzeiten dokumentieren und die Unterlagen zwei Jahre lang aufbewahren. Die Art und Weise der Dokumentation wurde nicht festgelegt. Theoretisch könnte das Unternehmen also auch auf Stift und Papier zurückgreifen:
Gerichtsurteile zeigen, wie wichtig Vereinbarungen sind
Zwar hat der Gesetzgeber lediglich den Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten zu erfassen. Doch zeigen einige gerichtliche Entscheidungen, dass es auch als Arbeitnehmer von Vorteil sein kann, diese zu dokumentieren.
Am 16. Mai 2012 wurde der Fall mit dem Aktenzeichen 5 AZR 331/11 verhandelt. Ein Kaufmann vereinbarte mit seinem Arbeitgeber, monatlich bis zu 20 Überstunden zu leisten. Dennoch beschwerte er sich vor Gericht darüber, dass er für die geleisteten Überstunden keine Entschädigung bekam. Das Gericht entschied: Da die Vereinbarung bestand, gibt es keinen Anspruch auf eine Entschädigung.
Das Aktenzeichen 5 AZR 765/10 vom 22. Februar 2012 zeigt eine etwas andere Auslegung des Gerichts. Ein Lagerarbeiter mit einem Brutto-Lohn von 1.800 Euro monatlich verlangte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Vergütung seiner rund 1.000 Überstunden. Es bestand sogar eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, die regelte, dass der Arbeitnehmer je nach Notwendigkeit Überstunden zu leisten hat – und zwar ohne Entschädigung. Doch die Vereinbarung stufte das Gericht als nicht klar und verständlich ein. Der Mitarbeiter bekam Recht.
Tatsächlich spielen vor Gericht auch das Gehalt und die Branchenüblichkeit eine große Rolle. Fällt das Gehalt relativ zur Branche gesehen recht hoch aus, argumentiert das Gericht, dass eine zusätzliche Vergütung von Überstunden nicht stattfinden muss.
Über den Autor
Moritz Hofmann studierte Informatik und Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität Dortmund und ist Geschäftsführer der clickbits GmbH in Unna. Das Unternehmen vertreibt seit 2009 die webbasierte Zeiterfassungssoftware clockodo. Damit können Arbeitszeiten unkompliziert und zuverlässig online erfasst werden.