Miteinander reden

von Robert Nabenhauer

Warum Märkte tatsächlich Gespräche sind

Willkommen im Zeitalter der Quasselstrippen: Mit dem Internet und seinen vielen neuen Kommunikationswegen hat eine Ära des Massengeplauders begonnen. Menschen schreiben E-Mails. Sie versenden Newsletter und die Erfolgsbotschaft des Tages. Über Skype wird nicht nur telefoniert, sondern auch gechattet und wer möchte, kann sich dabei via Bildschirm in die Augen sehen oder zunicken. Manche machen ihre Ideen über ihre Webseiten publik. Andere veröffentlichen ihre Ansichten in Blogs. Auf XING werden Steckbriefe formuliert, auf Facebook Statusmeldungen abgegeben. Es wird so viel kommuniziert wie nie zuvor. Und das ist gut so. Denn Kommunikation ist die Grundlage jeden Handels. Und der größte aller denkbaren Handelsplätze ist heute das Internet.

Als Anfang der 90er Jahre der Grundstein für das gelegt wurde, was wir heute unter dem Begriff „Internet“ kennen, da war es noch kein Handelsplatz und weit entfernt von allen Anwendungen des Web 2.0. Geläufig war es lediglich international arbeitenden Wissenschaftlern und einer Handvoll Nerds, also abgedrehten Computerfreaks. Dann wagten sich die ersten Privatleute hinaus in die virtuelle Weite. Anfangs dachte niemand daran, dort Dinge zu verkaufen. Es ging darum, sich mit anderen zu unterhalten – oder auch nur vor sich hin zu reden, in der Hoffnung, dass jemand zuhört. Aus diesen Unterhaltungen, dem Wunsch, sich mitzuteilen, entwickelten sich erste

Projekte: Newsgroups, Chatrooms, Foren. Boris Becker krähte im Werbespot, „Bin ich schon drin?“ und freute sich wie ein Schneekönig über seinen schnellen Erfolg. Sie erinnern sich? Menschen erstellten Websites, um andere über ihre Hobbys und Vorlieben zu informieren. Seht mal, ich bin interessant! Und fast immer fand sich jemand, der bereit war, dem zuzustimmen.

Aus dem Austausch entstanden Beziehungen. Menschen traten miteinander in Kontakt, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären. Das Netz bekam seinen Namen, weil es Menschen vernetzte. War es da nicht selbstverständlich, dass findige Köpfe auf die Idee kamen, es für ihre Marketingaktivitäten zu nutzen?

Back to the roots

Der Markt, das Handeln von Waren und die damit verbundene Kommunikation gehören zu den Grundlagen nahezu jeder Gesellschaft auf dieser Erde und das seit Jahrtausenden. Die Regeln des Marktes sind uns wortwörtlich in Fleisch und Blut übergegangen. Selbst zwei Menschen, die nicht dieselbe Sprache sprechen, können miteinander feilschen. Jeder, der schon einmal auf einer Reise nach Souvenirs Ausschau gehalten hat, weiß das. Mit Gesten und Mimik lässt sich sowohl der Preis eines Teegefäßes in Thailand ausmachen als auch der Wert einer Tüte Vanilleschoten in Mexiko. Kleines Beispiel gefällig? Was ist aus diesen Gesten herauszulesen?

Käufer: Auf die Tüte zeigen, beide Hände nach außen drehen und Kopf leicht schief legen. Augenbrauen hoch – lächeln.

Händler: Viele Finger heben.

Käufer: Die Hälfte der Finger heben.

Händler: Augen aufreißen, Kopf schütteln. Auf die Tüte zeigen. Mehr Finger heben.

Nun einigt man sich in der Mitte und besiegelt den Tausch von Geld und Ware mit einem Nicken oder gar mit einem Handschlag. Der Handel ist perfekt. Oder der Käufer schüttelt den Kopf und geht weiter.

Viele Gesten werden weltweit verstanden. Sie können aber auch missverstanden werden, wenn sie nur einen Deut abweichen von der Norm. Von dem, was in dieser Gesellschaft üblich ist. Ein Nicken kann in Asien bedeuten, dass der andere das Anliegen verstanden hat. Es muss nicht heißen, dass er einverstanden ist.

Nun einigt man sich in der Mitte und besiegelt den Tausch von Geld und Ware mit einem Nicken oder gar mit einem Handschlag. Der Handel ist perfekt. Oder der Käufer schüttelt den Kopf und geht weiter.

Viele Gesten werden weltweit verstanden. Sie können aber auch missverstanden werden, wenn sie nur einen Deut abweichen von der Norm. Von dem, was in dieser Gesellschaft üblich ist. Ein Nicken kann in Asien bedeuten, dass der andere das Anliegen verstanden hat. Es muss nicht heißen, dass er einverstanden ist. Schweizer darauf: „Ja, das passt“. Damit ist für den Schweizer alles gesagt. Für den Deutschen noch lange nicht, er möchte nun den Knopf dran machen, denn noch scheint ihm der Auftrag nicht vergeben: „Also kann ich den Auftrag buchen?“ hakt

er nach. Das irritiert den Schweizer, der ja bereits zugesagt hat. Umgekehrt sind die Deutschen nach einem solchen Gespräch und der Bemerkung „Ja, das passt!“ mehr als verwundert, wenn ihnen in der Folge bereits die Auftragsbestätigungen ins Haus flattern. Minimale Unterschiede, die zum Scheitern von Geschäftsbeziehungen führen können. Wenn nicht rechtzeitig über das Missverständnis gesprochen wird.

Missverständnisse kann es auch bei den Umgangsformen geben. Auf der Einladung zu einem Unternehmens-Treffen in der Schweiz war der Kleidungs-Code „casual“ angegeben, Start der Veranstaltung sollte um 18 Uhr sein. Doch ich war der einzige, der ohne Anzug erschienen ist – und peinlich berührt über seinen Fehler war. Ich hätte mich besser informieren müssen! Verbale und nonverbale Kommunikation. Was habe ich an diesem Abend mit meinem Pullover gesagt? Ich habe keine Ahnung, sorry!

Verpassen Sie nicht den Markttag!

Wer die Kunst der Kommunikation beherrscht, hat definitiv bessere Chancen, sich auf den internationalen Märkten durchzusetzen. Das war schon so, als es noch keine globalen, sondern nur lokale Märkte gab. Und das Internet noch nicht einmal als Idee existierte. Gehen wir noch ein Stück weiter zurück: als es noch nicht einmal Telefon gab.

In diesen düsteren Zeiten, in denen man nach einem langen Tag auf dem Feld keine Pizza bestellen konnte und das Entertainment nicht aus den Serien-Hits im Privatfernsehen bestand, sondern aus dem sonntäglichen Kirchgang, gehörten die Markttage zu den wichtigsten und aufregendsten Ereignissen des Jahres.

Christopher Locke beschreibt es im Bestseller „The Cluetrain Manifesto“ etwa so: „Vor 5.000 Jahren war der Marktplatz der Dreh- und Angelpunkt unserer Zivilisation. Ein Ort an dem Händler exotische Gewürze, Seide, Affen, Papageien, Juwelen feilboten, die sie aus fremden Ländern mitgebracht hatten – und fantastische Geschichten.“ Wer hätte da fehlen wollen?

Sicher ist: Wer den Markttag verpasste, hatte auf all diese begehrenswerten Dinge keinen Zugriff. Er war abgeschnitten. Nicht nur von den Waren, sondern auch vom Informationsfluss. Denn genauso wichtig wie die Güter, die auf den Märkten die Besitzer wechselten, waren die Nachrichten, die dort feilgeboten wurden. Und noch wichtiger waren die Beziehungen, die geknüpft werden konnten. Daran hat sich in 5.000 Jahren nichts geändert. Erster Satz des Cluetrain Manifesto: „Märkte sind Gespräche“.

Wer also beim jährlichen Markttag nicht dabei war, blieb außen vor. Da war nichts nachzulesen oder zu googeln. Nicht, wo es den billigsten Mais gab, nicht, wo gerade Arbeitskräfte gesucht wurden. Vor allem aber: keinen Tratsch, keine Neuigkeiten von den Nachbarn, keine Insider-Infos. Dieses wunderbare Grundrauschen eines geschäftigen Tages. Bei wem läuft der Laden gut? Wer hat drei Kunden in Folge verärgert und wer ist vertrauenswürdig? Darüber wurde nebenbei gesprochen, zwischen zwei Handschlägen. En passant.

Aber genau diese eigentlich nebensächlichen Gespräche sind es oft, die über einen erfolgreichen Deal entscheiden. Die letztlich dafür sorgen, dass der Kunde bei diesem und nur bei diesem Händler kauft. Warum? Weil Gespräche Beziehungen aufbauen und festigen. Beziehungen sind wertvoller als Waren. Zumindest dann, wenn die Waren bezahlbar und in identischer Qualität von mehreren Verkäufern angeboten werden. Womit wir uns wieder in der Jetztzeit befinden. In einer Welt der globalen Märkte. Und mit Internet.

Dieses ist ein  Auszug aus meinem Buch :
„Ich kenn dich – darum kauf ich“

Eine Leseprobe können Sie unter www.shop.nabenhauer-consulting.com anfordern.

Viel Freude beim lesen.
Robert Nabenhauer

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