1. Frage: Herr Schütz, ich weiß, Sie sind ein Experte auf Ihrem Gebiet. Möchten Sie sich aber vielleicht unseren Lesern zu Beginn des Interviews kurz vorstellen?
Aber ja, sehr gerne! Im Norden der Republik aufgewachsen, zog es mich vor fast eineinhalb Jahrzehnten zum Marketingstudium ins Rheinland. Mit dem Diplom in der Tasche bin ich über meine Beratungstätigkeiten in der Bahn- und Logistikbranche wie auch zum Thema „Erneuerbare Energien“ sowie als Marketing- und Vertriebsleiter zu meiner heutigen Berufung als PR-Berater gelangt.
2. Frage: Als Unternehmensberater sowie Marketing- und Vertriebsleiter haben Sie demnach jahrelange Erfahrungen sammeln können. Was zeichnet für Sie ganz konkret ein effektives Marketing aus?
Effektives Marketing bedeutet für mich die fristgerechte Erreichung der Unternehmensziele mit konsequenter Kundenorientierung und wirkungsvoller Budgetverwendung. Generell interpretiere ich Marketing als Teil der Unternehmensphilosophie.
3. Frage: Wie viele Ihrer Kunden, Sie arbeiten als PR- und Mediaberater, setzen zu Beginn Ihrer Beratung immer noch Methoden der Kaltakquise ein? Wie erfolgreich sind sie damit?
Gefühlt würde ich „alle“ sagen! Die Kaltakquise ist eine traditionelle Marketingmethode und in ihrer Anwendung weiterhin äußerst beliebt. Ein notwendiges Übel sozusagen. Der Erfolg ist natürlich ganz unterschiedlich, doch würde das Gros meiner Erfahrung nach eine positive Bilanz ziehen. Allerdings hat die Durchschlagskraft auch ein wenig nachgelassen, was sicher mit den verschärften Regularien zu tun hat. Kreativität ist gefragter denn je. Außerdem gibt es leider zu viele schwarze Schafe (z.B. beim Telefonmarketing), die mit unseriösen Angeboten und Versprechen, die nicht eingehalten werden können, die Branche in Verruf bringen.
4. Frage: Welche Alternativen sehen Sie für diese Marketingform? Sie ist ja, wie bereits festgestellt, nach wie vor sehr weit verbreitet – nicht nur in den Konzepten, sondern auch in den Köpfen.
Natürlich kann man Social Media für seine Zwecke nutzen. Doch gibt es hierbei noch klarere Spielregeln: Es geht nicht um Direktvertrieb im klassischen Sinne, sondern um den Aufbau eines persönlichen Beziehungsnetzwerkes. Die Fluktuation der Mitarbeiter innerhalb der PR- und Werbebranche ist zwar überdurchschnittlich hoch, die Branchen sind aber zugleich ausgesprochen klein. Ist der Einstig erst geglückt und stimmt die Chemie mit dem Kunden, arbeitet man viele Jahre gemeinsam in unterschiedlichen Positionen an verschiedenen Herausforderungen. Daneben oder besser zusätzlich halte ich Empfehlungsmarketing und Mundpropaganda für alternativlos.
5. Frage: Wohin steuert das Marketing also Ihrer Meinung nach? Werden wir alle künftig auf Facebook angewiesen sein, um neue Kunden zu finden? Wo stehen wir in einem Jahr, wo in drei Jahren?
Das Marketing hat sich im Laufe der Jahre ohnehin enorm weiterentwickelt, neue Gruppierungen wie das Customer Relationship Management (CRM) sind hinzugekommen. Individuelle Aspekte, wie beispielsweise für den Dienstleistungssektor (Immaterialität, Leistungsfähigkeit, externer Faktor), haben an Bedeutung gewonnen. Natürlich werden auch zukünftig entsprechende Besonderheiten zu berücksichtigen sein. Um es ganz deutlich zu sagen: Facebook ist nicht Social Media und Social Media eignet sich nicht für jeden oder alles! Der Erfolg kommt gewiss nicht über Nacht und lässt sich vor allem nicht erzwingen.
In einem Jahr wird Social Media aber auch bei den Branchen mit Nachholbedarf etabliert und somit fester Bestandteil des Marketing-Mix sein. Mit Blick auf die Entwicklung des Internets innerhalb der letzten Dekade fällt mir eine Prognose für 2015 schwerer. Sollten wir tatsächlich bereits das sogenannte Web 3.0 anwenden, dann wird in drei Jahren das „Zeitalter 4.0“ längst angebrochen sein. Es gibt wohl kaum etwas Spannenderes als neue Trends aufzuspüren und zu verfolgen. Deshalb finde ich beispielsweise den Gedanken an das „Semantische Web“ sehr reizvoll. Personalisierte Botschaften wiederum eröffnen dem Marketing zahlreiche neue Möglichkeiten. Andererseits finde ich insbesondere den sorglosen Umgang mit Daten beunruhigend.
6. Frage: Nun existieren Netzwerke wie Facebook oder XING ja nicht erst seit gestern. Wie erleben Sie den Umgang von Führungskräften und Unternehmern mit diesen Medien?
Als Mediaberater bin ich in der glücklichen Situation, dass meine (Agentur-)Kunden internetaffin sind. Die Gespräche verlaufen auf Augenhöhe, häufig werden ganz konkrete Vorstellungen geäußert. Im Umgang mit diesem Medium genieße ich zudem ausnahmslos Rückendeckung bei meinem Arbeitgeber. Diesen Vertrauensvorschuss kann ich durch Empfehlungen und Reputation zurückgeben. Mit einigen Führungskräften besteht fast ein persönliches Verhältnis, der Austausch ist sehr fruchtbar und man lernt äußerst viel voneinander.
7. Frage: Sie haben sich tiefergehend mit dem PreSales Marketing beschäftigt. Was reizt Sie an dieser Strategie? Was gefällt Ihnen, was stört Sie?
Um die Kundenphilosophie besser verinnerlichen und gegenseitiges Vertrauen aufbauen zu können, sind persönliche Gespräche von Beginn an unentbehrlich. Gerade beim komplexen Themenfeld „Mediendienste“ ist eine ehrliche und intensive Beratung wichtig. Es kommt extrem gut an, wenn man frühzeitig die Dinge anspricht, die man nicht realisieren kann oder in der beabsichtigten Form so nicht umsetzen würde.
Den Kunden abzuholen und gemeinsam eine Story zu entwickeln, das gefällt mir am PreSales Marketing. So kann ich mein Gespür für das perfekte Timing beim Themensetting einbringen. Der Reiz besteht darin, eine fesselnde Geschichte zu erzählen und die eigentliche Botschaft latent unterzubringen.
Es stört mich allerdings, wenn ohne Rückmeldung das etwaige Vorhaben im Sande verläuft oder die gemeinsam entwickelte Idee von einem Wettbewerber einfach aufgegriffen und nahezu verramscht wird. Es ist zuweilen nicht ganz einfach, die verprellten und vermeintlich potenziellen Kunden erneut einzufangen und von einem professionellen Mediendienstleister zu überzeugen.
8. Frage: Als Unternehmensberater haben Sie Einblicke in Firmen erhalten wie sonst nur Führungskräfte. Wie ticken Marketingabteilungen? Sind diese interessiert an persönlichen Beziehungen oder ignorieren sie die zwischenmenschlichen Aspekte völlig?
Da ich ursprünglich aus dem Marketing komme, kenne ich den Rechtfertigungsdruck. Es gibt häufig strenge Vorgaben und Kennzahlen, die erreicht werden müssen. Man könnte deshalb übereilt den Eindruck gewinnen, dass die Mitarbeiter egoistisch seien und nur die eigenen respektive unternehmerischen Interessen verfolgen würden. Dem ist selbstverständlich nicht (überall) so.
Eingangs habe ich ja schon erwähnt, dass Marketing als vielleicht wichtigster Bestandteil der Firmenphilosophie zu erachten ist. Nach außen geht es darüber hinaus in erster Linie um die langfristige Pflege von Kundenbeziehungen und die Konkretisierung persönlicher Bedürfnisse. Zwischenmenschliches zu vernachlässigen kommt daher einem Kardinalfehler gleich. Meistens werden diese Aspekte deshalb respektvoll eingehalten.
9. Frage: Was glauben Sie, woher diese Vorbehalte kommen? Marketing war ein Schwerpunkt Ihres Studiums. Läuft denn bereits in der Ausbildung neuer Führungskräfte etwas schief? Was denken Sie?
In Studium und Ausbildung wird frühzeitig der Konkurrenzkampf geschürt. Aufgrund der Vielzahl an Young Professionals wird suggeriert, dass nur wenige von ihnen Erfolg haben werden respektive können. Doch im Berufsleben trennt sich die Spreu vom Weizen meiner Meinung nach vielmehr bei den Soft Skills, die bei der persönlichen Entwicklung vernachlässigt oder ungenügend vorgelebt werden. Gerade die Sozialkompetenz macht den (Wissens-)Vorsprung später aus.
Die soziale Komponente spielt demnach eine bedeutende Rolle bei der Entfaltung des eigenen Durchsetzungsvermögens und der Führungsqualität. Wer am lautesten schreit, hat nicht automatisch Recht. Oder um es mit C.N. Parkinson zu sagen: „Selbst die weltbeste Werbeagentur kann keine gute Öffentlichkeitsarbeit leisten, wenn der Betrieb miserabel geführt wird.“ Ich gehe immer fair und transparent mit meinem Gegenüber um, argumentiere schlüssig. So wurden mir nie Vorbehalte entgegengebracht, weder als Marketingexperte noch als Berater. Mit einem Augenzwinkern und voll des Eigenlobes könnte man somit uneigennützig sagen: Alles richtig gemacht!
10. Frage: Die Kosten-Nutzen-Relation ist im Marketing ein wichtiges und heiß diskutiertes Thema. Wie groß ist der Kostendruck innerhalb der Unternehmen?
Das Marketing steht nicht zuletzt durch die anhaltende Krise unter steigendem Kostendruck. Als Gründe können unter anderem fallende Margen und die sinkende Kundenloyalität genannt werden. Leider wird noch immer viel zu oft bei der Öffentlichkeitsarbeit eingespart. Aber gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss das Marketing ein hohes Niveau vorweisen. Man sollte nicht am falschen Ende sparen und stattdessen strategisch denken und handeln. Eine Schwierigkeit sehe ich aber in der Messbarkeit des Erfolgs. Niemand kann derzeit zum Beispiel etwas Verlässliches zur Werbewirkung von Social Media sagen.
11. Frage: Alternativen werden also dringend gebraucht. Wie schätzen Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis des PreSales Marketing ein?
Eine systematische und doch originelle Vorgehensweise setze ich hier voraus. Dadurch wird der zu leistende Aufwand vom losen Erstkontakt bis zur Referenz minimiert und kontinuierlich optimiert. Kundengewinnung, Bedarfsbefriedigung und Netzwerkausbau sowie erneut daraus resultierende Kontakte sind (fast automatisch) die Folge. Ein „Regelkreis des Vertrauens“. Dementsprechend ist PreSales Marketing aus Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten durchaus attraktiv.
12. Frage: Worin sehen Sie das größte Potenzial dieser Strategie? Hat das PreSales Marketing das Zeug zum Game Changer?
Wichtigste Tugenden bei der täglichen Arbeit sind Ausdauer und Geduld, auch wenn einem zugegebenermaßen vielfach die benötigte Zeit nicht gegeben wird. Gepaart mit Einfallsreichtum sehe ich darin aber zugleich das größte Potenzial dieser Strategie. Ausdrücklich sollte man Freude und einen gewissen Spaß vermitteln. Eine „gesunde“ Identifikation mit dem Unternehmen, dem Produkt oder der Dienstleistung bildet hierzu die Grundlage und verhindert eine etwaige Betriebsblindheit. Um Rückschläge schneller verarbeiten und in positive Ansätze ummünzen zu können, ist eine kritische Selbstreflexion hilfreich. Prinzipiell halte ich PreSales Marketing deshalb für ein sinnvolles, sprich effizientes Dialogtool, welches allerdings stark personenabhängig ist. Damit wären wir wieder bei den Soft Skills angelangt; persönliche Stärken werden wichtiger und sind Verhandlungsmerkmale.
13. Frage: Marketingabteilungen müssen sich umstellen, müssen für ihre Kunden offener werden. Das ist mit Aufwand verbunden, keine Frage. Wie hoch schätzen Sie den Schwierigkeitsgrad des PreSales Marketing ein? Ist es eine Strategie für Experten oder kommen auch unerfahrene Unternehmer damit zurecht?
Marketingabteilungen sollten einfach wieder für mehr Begeisterung sorgen, sich von alten Denkweisen verabschieden sowie bei Planung und Konzeption eine andere Herangehensweise verfolgen. Eine zielgerichtete Platzierung und die Streuung von nachhaltigem Content sind unabdingbar, wenn generell ein positives Image oder eine hohe Reputation erzielt werden soll. Gebe ich fortlaufend leblose Inhalte oder unnützes Wissen ohne jeglichen Bezug von mir, werden die Empfänger (hier kann nicht von Zielgruppe gesprochen werden) dies mittelfristig mit Missbilligung abstrafen.
Ein gewisses Talent kann sicher nie schaden, um das eigene Marketing zu lancieren. Man sollte jedoch stets offen für einen guten Rat und Tipps von Profis sein. Darüber hinaus ist nicht immer der Wille oder die Bereitschaft vorhanden, sich weiterzuentwickeln, über den Tellerrand hinauszuschauen. Bei allen Entscheidungen muss stets ein klares Kommunikationsziel bei professioneller Umsetzung Anwendung finden.
14. Frage: Vielen Dank für das Interview. Eine letzte Frage: Würden Sie Ihren Kunden das PreSales Marketing empfehlen?
Ja, doch sollte man sich unbedingt professionelle Hilfe holen!
Robert Nabenhauer
Nabenhauer Consulting – Preisträger von Unternehmenspreisen