Von der Public Relation zur Personal Relation

von Robert Nabenhauer

Warum ohne persönliche Ansprache nichts mehr läuft
Das Internet ist eine Fundgrube an Informationen. Es ersetzt Telefonbuch, Adressbuch, Datenbanken und teure Umfragen: Denn im Internet geben viele Menschen freiwillig persönliche   Informationen über sich preis. Diese Informationen können genutzt werden, um die Menschen  individuell anzusprechen. Damit wird Public Relations zum Auslaufmodell.

Das Vorgehen der klassischen PR-Agenturen ist etwa so effektiv, als würden Sie auf der Suche nach  außerirdischem Leben ungerichtet Signale ins All senden: Sie funken und warten ab, ob jemand  zuhört. Ein durchschnittlicher fest angestellter Redakteur bekommt an die 1.000   Pressemitteilungen – pro Tag. Die landen nicht etwa in der Zeitung, sondern im Papierkorb.

Unter Public Relations wird jede Form der interessengeleiteten Information verstanden, sie  umfasst also weit mehr als die reine Produktwerbung. Ihr Ziel ist es, Sympathie für eine  Organisation, ein Unternehmen oder ein Produkt zu wecken und so ein günstiges Umfeld zu  schaffen. Sie versucht in einem aufwendigen Verfahren, positive Informationen über den  Auftraggeber in der öffentlichen Meinung zu verankern. Dazu werden die klassischen Medien mit  den entsprechenden Informationen versorgt. Die Abdruck- bzw. Senderaten sind jedoch in der  Regel gering. Die Redakteure seriöser Medien sind sich der PR-Maßnahmen bewusst und  versuchen diese zu ignorieren. Die meisten PR-Maßnahmen sind sehr teuer und wenig  zielgerichtet. Auch sie funktionieren nach dem Gießkannenprinzip.

Das Internet mit seiner Transparenz an Daten und persönlichen Informationen liefert uns heute ein neues Instrument, um Public Relations durch Personal Relations abzulösen. Grundvoraussetzung  für Personal Relations ist es, dass eine persönliche Beziehung vom Sender zum Empfänger   aufgebaut wird, und zwar eine positive persönliche Beziehung. Denn nur diese hilft uns weiter.  Persönliche Beziehungen können schließlich auch negativ geprägt sein, etwa durch Neid,  Missgunst, Ablehnung oder reine Antipathie. Wir aber wünschen uns eine positive, vertrauensvolle  Beziehung des Senders zum Empfänger, damit der Empfänger dem Sender und dessen Botschaft vertraut. Denn Vertrauen ist das A und O der Glaubwürdigkeit.

Der erste Schritt der Personal Relations besteht also darin, die richtigen Empfänger auszuwählen.  Denn gelungenes Marketing arbeitet infusionär, nicht inflationär. Um in diesem Beispiel zu bleiben:  Für eine Infusion sucht die Krankenschwester zunächst die richtige Vene.

Um die Botschaft an den richtigen Platz zu bringen, sucht Personal Relations zunächst nach dem  richtigen Empfänger. Dazu studiert der Sender die Webseite und alle Veröffentlichungen des  Unternehmens, das er ansprechen will: Wer ist zuständig für welche Geschäftsbereiche? Wer ist  der richtige Ansprechpartner für mein Anliegen? Er stellt sich zusätzlich detaillierte Fragen: Welche  Ziele hat dieser Ansprechpartner vermutlich? Und was will er auf keinen Fall? Darin besteht die Basisarbeit eines gelungenen Marketings – es kann langweilig und aufwendig sein, ist aber  unerlässlich. Im Internet sind die Profile der Menschen, die wir ansprechen wollen, öffentlich erkennbar. Zunächst werden wir uns also anhand dieser Profile über die Ansprechpartner informieren – sind dies wirklich die potenziellen Kunden, die ich mir wünsche?

Wer mag was?

Um die Frage der Vorlieben zu entscheiden, muss ich mehr über die Menschen wissen, die ich  erreichen will. Nichts leichter als das: Einträge in Facebook, XING, Presseartikel in Google und  andere Informationen, die im Internet frei verfügbar sind, liefern eine Datenbasis, die den  einzelnen meist sehr genau beschreibt. Diese Datenbasis wird jeden Tag umfangreicher. In zehn  Jahren wird die Datenbasis so groß sein, dass sie die Lebensgeschichte jedes einzelnen Menschen  widerspiegelt. Und die seines sozialen Netzwerks dazu.

Heutzutage machen die Menschen ihre Vorlieben öffentlich. Das ermöglicht es, sie persönlich  anzusprechen. Aus Zielgruppen werden Zielpersonen. Die Zielpersonen der Personal Relation.

Solche Zielpersonen über Anzeigenkampagnen anzusprechen, wäre immens teuer, da die  Streueffekte zu groß sind. Untersuchungen zeigen, dass sich viele Menschen an eine bestimmte  Kampagne erinnern, aber gar nicht wissen, welches Produkt damit beworben wurde. Falls sie die  Kampagne überhaupt verstanden haben. So wurde der Werbeslogan „Come in and find out“ der  Parfümeriekette Douglas von einer großen Mehrheit als „Komm herein und find wieder hinaus“  interpretiert – die Kampagne war ein Schlag ins Wasser, obwohl sie aufwendig inszeniert war und  den Auftraggeber viele Millionen kostete.

Heute bestimmt nicht mehr das Werbebudget über den Erfolg einer Werbekampagne, sondern die Idee, die dahinter steckt. Simple Filmchen auf YouTube, die eine witzige Werbung transportieren,  werden zigtausendmal angeklickt. Ein Video, in dem eine Frau einen zudringlichen Mann mit dem dicken Katalog des Versandhauses Otto auf den Kopf schlug, wurde wie ein guter Witz unter  Freunden weiterempfohlen und erreichte hohe Abrufzahlen. Wenn die Idee einer Kampagne  stimmt, reden die Leute darüber. Das Beste daran: Ideen kosten nichts.

Empfehlungsmarketing spielt also eine immer größere Rolle. Früher hörten die Menschen darauf,  was ihre zwei, drei Freunde ihnen erzählten. Heute sind sie im Internet mit viel mehr Menschen  vernetzt – Empfehlungen werden sehr schnell und an sehr viele Freunde weiter gereicht. Der  erhobene Daumen in Facebook ist leicht angeklickt. Wer etwas verkaufen möchte, tut daher gut  daran, die Erwartungen seiner Kunden nicht nur zu erfüllen, sondern zu übertreffen. Nur dann  werden sie ihre sozialen Netze aktivieren und ihn weiter empfehlen.

Wer viele solcher Kontakte hat, die ihn weiterempfehlen, erspart sich eine teure Werbekampagne. Wie aber kommt diese Vielzahl an Kontakten zustande? Wer mit Hilfe der sozialen Netzwerke und  der Internetprofile potenzielle Ansprechpartner gefunden hat, sollte sich nicht scheuen, einen  Anlass zu suchen und den ersten Schritt zu unternehmen, um einen Kontakt aufzubauen.

Denn wir wissen: Menschen sind soziale Wesen und grundsätzlich daran interessiert, mit anderen  zu kommunizieren.

Wie eine Beziehung entsteht

Zur Personal Relation gehört es, sich Gedanken über die Bedürfnisse und Probleme des Adressaten zu machen, bevor Sie ihn ansprechen und mit Informationen versorgen. Nur wer seine  Hausaufgaben gemacht hat und genügend über den Adressaten weiß, kann seine Personal  Relations-Kampagne starten. Der Ansprechpartner erhält nun kontinuierlich   Informationsangebote. Diese Phase kann einige Monate oder sogar jahrelang dauern, bis die  persönliche Beziehung so stark gewachsen und belastbar ist, dass eine geschäftliche Beziehung  entstehen kann.

Personal Relation ist kein Gegenpol zu Public Relation. Die Grenzen sind vielmehr fließend.  Personal Relation ist gut gemachte Public Relation. Allerdings sollte zwischen klassischer PR und  Online-PR unterschieden werden. Beide Formen sollten sich idealerweise ergänzen. PR ist und  bleibt ein wichtiges Instrument des Marketings. Gut geschriebene Pressemeldungen werden teils  eins zu eins übernommen – Voraussetzung ist allerdings, dass der Redakteur Vertrauen in den  Absender hat.

Ich behandle die Redakteure, die über mein Fachgebiet schreiben, genauso aufmerksam
wie meine Kunden. Die Journalisten wissen: „Was vom Nabenhauer kommt, ist
kein Spam“. Meine Pressemitteilungen werden nicht als werblich wahrgenommen,
weil sie Informationen enthalten, die nicht interessengeleitet sind und dem Empfänger
nutzen. Das erhöht die Abdruckrate immens.

Vertrauen zählt

Personal Relation kann auf eine einfache Formel gebracht werden: Personal Relation ist PR plus  Vertrauen. Ein Empfänger einer Werbebotschaft unterscheidet nicht zwischen Public Relation oder  Personal Relation. Er fragt lediglich danach, wie stark er dem Absender der Botschaft trauen kann.  Der Absender muss nicht unbedingt eine Person sein, es kann sich auch um ein Unternehmen, um  Führungskräfte oder Mitarbeiter einer Firma handeln. Auch Vertrauen in Produkte kann auf  diesem Weg aufgebaut werden. Wenn ein Produkt oder ein Absender mehrmals als  Qualitätsanbieter wahrgenommen wurde, baut sich langsam Vertrauen auf. Bekannten Produkten  oder Menschen wird eher Vertrauen entgegengebracht. Dieses Vertrauen lässt sich durch
geeignete Maßnahmen noch steigern.

Vertrauen entsteht, wenn aus sporadischen Kontakten stetige Kontakte werden. Der erste Moment   der Kontaktaufnahme erfordert besonderes Fingerspitzengefühl. Es reicht nicht, einfach jemanden  anzurufen und zum Geburtstag zu gratulieren. Der Angerufene wird sich fragen, woher sein  Geburtstag bekannt ist: Der Zweck des Anrufs ist zu offensichtlich. Ein ungebetener, bisher  unbekannter Anrufer wird als aufdringlich empfunden. Daher ist es wichtig, für die erste  Kontaktaufnahme einen Anlass zu finden, der angemessen ist.

Denken Sie dabei an den Adressaten: Wer eine Information besitzt, die den Empfänger  wahrscheinlich interessiert, hat gute Karten. Ist dieser erste Schritt getan, wird der weitere Kontakt  leichter. Die Kontakte sollten in moderaten zeitlichen Abständen wiederholt werden, bis sie  Normalität erreichen und eine Beziehung entstanden ist, die weiter wachsen kann.

Personal Relations ist also nicht beendet, wenn ein Kontakt hergestellt wurde. Sie fängt damit erst  an. Denn Beziehungen müssen gepflegt werden, durchaus auch auf persönlicher Ebene. Wenn die  Beziehung gewachsen ist, können Sie sich informieren, wie die Ehefrau oder der Partner des  Ansprechpartners heißt und wann sie oder er Geburtstag hat. Dann bietet es sich an zu gratulieren  oder eine Aufmerksamkeit zu schicken. Diese eher privaten Informationen können entscheidend  sein, um der Zensur der Vorzimmerdame zu entgehen. Einen Anrufer mit der Bitte „Ich will nur kurz gratulieren“ wird die Sekretärin gerne durchstellen.

Eine persönliche Beziehung schafft also Vertrauen – und Vertrauen erhöht die Glaubwürdigkeit des Absenders.

Experten verkaufen besser

Besonders glaubwürdig erscheinen Menschen, die als Experten wahrgenommen werden. Daher ist es erstrebenswert, einen Expertenstatus aufzubauen.

Ich selbst habe in den vergangenen Jahren nichts anderes getan, als gezielt meinen   Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Diesen habe ich aktiv beeinflusst, indem ich zum Beispiel auf meiner Webseite ein Verpackungslexikon aufgebaut habe. Als Herausgeber dieses Lexikons habe ich mich   nun als Experte für die Verpackungsindustrie profiliert.Nicht anders arbeiten Stars: Das   Management von Michael Jackson hat durchgesetzt, dass Radiostationen ihn als King of Pop  ankündigen. Das ist klassische Public Relation. Irgendwann gingen die Radiomoderatoren dazu  über, ihn automatisch als King of Pop zu bezeichnen. Der Begriff hat sich verselbstständigt und ist  zu einem Synonym für Michael Jackson geworden. Er hatte sich einen Status als King geschaffen, als Experte für Pop. Damit übte er eine Machtposition aus. Dies ist Personal Relation. Das Beispiel  zeigt: Irgendwann gehen Personal Relations und Public Relations ineinander über.

Der Expertenstatus verleiht Macht und bürgt dafür, dass die Menschen Vertrauen in den Experten  setzen. Wenn ich als Experte für die Verpackungsindustrie heute behaupte, dass die Preise für  Verpackungen demnächst steigen werden, ist das glaubwürdig. Mit einer solchen Information  schaffe ich Mehrwert für meine Kunden. Meine Strategie zielt darauf ab, weiter an Vertrauen und  Bekanntheit zu gewinnen, nicht aber darauf, das Verhalten meiner Kunden zu ändern.

Das Internet ist wie geschaffen dafür, einen Expertenstatus aufzubauen. Dazu genügt es nicht,  einen Blog zu schreiben, zu twittern oder als Mitglied bei Facebook angemeldet zu sein. Denn die  Nur-Senden-Mentalität gehört zum alten Denken. In der Welt des Mitmach-Internets geht es  darum, interessante Inhalte zu schaffen und dann gezielt zu überlegen, auf welchem Kanal diese  gesendet werden. Eignet sich besser Print oder Twitter, YouTube oder Facebook? Auf welchem  Kanal erreiche ich die Menschen, die ich mit meiner Botschaft ansprechen möchte?

Heutzutage sind die Menschen daran gewöhnt, jederzeit auf alle Dinge zugreifen zu können. Im  Netz sind Filme oder Musiktitel rund um die Uhr erreichbar, auch nach Ladenschluss und am  Wochenende. Deshalb müssen Angebote heute auf allen Kanälen zu finden sein. Denn wenn der  Nutzer eine Information oder eine Ware nicht auf Anhieb bekommen kann, wird er sie bei einem  anderen Anbieter suchen.

Experten trumpfen mit einer Karte auf, die „Bekanntheit“ heißt. Denn der Mensch orientiert sich  gerne an Bekanntem und scheut das Unbekannte. Vor der Wahl zwischen einer Milka- und einer  No-Name-Schokolade werden die meisten Verbraucher die Markenschokolade wählen, einfach,  weil sie den Namen kennen und dieser ihnen Vertrauen einflößt. Daher ist es das Ziel eines  Experten, allgemein bekannt zu sein. Der Expertenstatus gekoppelt mit dem Bekanntheitsgrad  sorgt für hohes Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Anders ausgedrückt: Wenn ich in einem  bestimmten Bereich Vertrauen genieße, bin ich automatisch der Experte für diesen Bereich.

Ein Beispiel für erfolgreiches Personal Marketing lieferte Timothy Ferriss, ein amerikanischer Publizist und Unternehmer, der sein Buch „Die Vier-Stunden-Woche“ erfolgreich an die Spitze der  Bestsellerlisten katapultierte. Er startete damit, dass er Kontakt zu Bloggern aufnahm, diese  persönlich traf und ihnen das Buch zusandte – ausdrücklich ohne um eine Rezension zu bitten. Die  Blogger griffen die Ideen des Buches auf und berichteten darüber, so dass Ferriss’ Werk ohne  weitere PR sehr erfolgreich wurde. Das sind angewandte Personal Relations. Ferriss identifizierte  die Blogger als Ansprechpartner, er baute Beziehungen auf und nutzte diese in seinem Sinn.  Entscheidend war dabei, dass die Blogger freiwillig die Rezensionen posteten. Denn Blogger sind  der klassischen PR gegenüber besonders kritisch eingestellt.

Dieses ist ein  Auszug aus meinem Buch :
„Ich kenn dich – darum kauf ich“
Eine Leseprobe können Sie unter www.shop.nabenhauer-consulting.com anfordern.

 

Viel Freude beim lesen.
Robert Nabenhauer

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