Warum Anzeigen Geldverschwendung sind
Die klassische Werbung ist auf dem Schrumpfkurs. Früher, als sie noch Reklame hieß, hat sie gut funktioniert. Das interessierte Publikum begrüßte die Produkthinweise als wichtige Informationsquelle. Doch die ungeheure Vielzahl an Produkten, die sich heute auf dem Markt tummeln, hat auch einen inflationären Einsatz der klassischen Werbung zur Folge. Werbeblöcke unterbrechen den schönsten Spielfilm. Plakatwände verschandeln die Landschaft. Werbesprüche im Radio bohren sich ins Ohr, obwohl uns die beworbenen Produkte überhaupt nicht interessieren.
Klassische Werbung ist unspezifisch, sie arbeitet nach dem Gießkannenprinzip. Sie macht auch die Leute nass, die gar nicht gewaschen werden wollen. Die Folge: Die Kunden machen dicht.
Das Ende der Postwurfsendung
Die daumendicken Prospekte der örtlichen Supermärkte und die Kuverts mit der Aufschrift „An alle Hausbewohner“ landen mittlerweile alle unbesehen in der Papiertonne. Wenn sie es überhaupt bis dahin geschafft haben. Die große Verbreitung der Aufkleber am Briefkasten mit der mehr oder weniger unfreundlichen Aufforderung, keine Werbung einzuwerfen zeigt, wie genervt die Menschen inzwischen auf klassische Werbung reagieren. Wer Postmailings aussendet, weiß, wie katastrophal niedrig die Rücklaufraten heutzutage sind – im Geschäft genauso wie im Privathaushalt. In den Firmen haben schon die Azubis schnell heraus, wie sie auch die hartnäckigste Telefonakquise abwimmeln. Selbst auf den forschen Spruch „Kann ich mal den Robert sprechen?“, mit dem sich clevere Zeitgenossen eine Zeit lang an der Vorzimmerdame vorbeimogeln konnten, fällt heute keiner mehr herein. Print-Anzeigen haben ebenfalls an Wirkung verloren. Das liegt auch daran, dass bei der beliebten Werbezielgruppe der jungen Bevölkerung Printmedien eine immer geringere Rolle spielen. Die jährlich durchgeführte Allensbacher Computer- und Technik-Analyse zeigt, dass bei der Zielgruppe der 20- bis 39-Jährigen mit Abitur im
Zeitraum von 2004 bis 2010 die Zeitung dramatisch an Bedeutung verlor. Nannten 2004 noch 60 Prozent dieser Gruppe die Zeitung als wichtigste Informationsquelle für aktuelle Nachrichten, waren es 2010 nur noch 40 Prozent. Demgegenüber nannten 2004 nur 29 Prozent der gleichen Gruppe das Internet als wichtigste Informationsquelle, sechs Jahre später waren es bereits 58 Prozent, also mehr als die Hälfte. Dieser Trend ist nicht mehr umkehrbar. Werber, die dennoch weiterhin auf Printmedien setzen, geben eine Studie nach der anderen in Auftrag, um zu erforschen, wie Print wieder wirken kann. Eine Studie jagt die nächste: In der einen heißt es, Testimonials von Prominenten nerven, in der anderen werden Promis als Werbeträger geradezu gefeiert. Durch solchen Aktionismus wird nur verschleiert, dass Print nicht mehr wirkt. Denn der Verbraucher reagiert nicht mehr auf klassische Werbung. Durch Printwerbung wird eine Menge Geld verbraten; Geld, das sinnvoller und effektiver in neue Werbeformen in den neuen Medien investiert würde. Häufig wird argumentiert, dass klassische Werbung unterschwellige Botschaften aussende, die der Adressat unbewusst aufnehme. Das ist ein Irrglaube, der kaum auszurotten ist. Dieses Argument ist nur ein Feigenblatt, um zu bemänteln, dass Print nicht mehr wirkt. Die angeblich unterschwellige Wirkung einer Werbeaussage ist schwer zu belegen und auch schwer zu wiederlegen. Wenn sich herumspräche, wie wirkungslos solche vorgeblich unterschwelligen Botschaften wirklich sind, wären die klassischen Agenturen schon längst ausgestorben. Die Ideen der Kreativen sind bisweilen sensationell lustig, aber an das beworbene Produkt erinnert sich kaum jemand. „Herr Kaiser“ aus der Versicherungswerbung im Fernsehen ist den meisten Menschen
bekannt, doch kaum jemand kann den Namen der Versicherung benennen, für die Herr Kaiser wirbt. Ähnlich ist es mit dem Spot einer Bausparkasse, in der die Tochter eines Hippies den spießigen Nachbarn beneidet, weil der einen Bausparvertrag hat. An den Spot erinnern sich viele, doch welche Bausparkasse hatte ihn geschaltet? Genaue Beobachter werden das Gefühl nicht los, dass sich eine Branche selbst feiert, wenn sie ihre lustigsten Spots als Kinofilme herausbringt und mit Genuss in Cannes auf dem roten Teppich promeniert – sich dabei aber einen Teufel darum schert, ob der Absatz der Auftraggeber auch wirklich steigt. Auch technischer Fortschritt hebelt klassische Werbung aus. Moderne Fernseher verfügen über eine interne Festplatte, die das Fernsehprogramm aufnehmen und es zeitversetzt abspielen lassen – die ungeliebten Werbeblöcke werden dabei ganz automatisch übersprungen. Und die Entwicklung geht noch weiter: Immer weniger Menschen möchten sich auf das Angebot beschränken, das ihnen von den Sendern
Woche für Woche präsentiert wird. Auch wenn sie aus dem Angebot von mindestens dreißig Sendern auswählen können – oft genug ist nichts Sehenswertes dabei. Kein Wunder, dass Filme, die aus dem Internet heruntergeladen werden, den klassischen Fernsehabend mehr und mehr ersetzen. So entsteht ein neues Sehverhalten, das die Fernsehwerbung einfach unterläuft: Ich sehe mir das an, was ich will, wann und wo ich will. Kein Mensch schaut sich Werbung freiwillig an. Dass Werbeblöcke im Fernsehen nicht mehr funktionieren, sehen wir auch daran, dass zunehmend auf Schleichwerbung gesetzt wird. Mit Product Placement werden Markenartikel in die Drehbücher gedrückt. Dieses Vorgehen ist in den angelsächsischen Ländern bereits viel verbreiteter als im streng regulierten Deutschland. Einzig die Imagewerbung funktioniert noch. Während bei der Produktwerbung die Eigenschaften der Ware im Vordergrund stehen und bei Preiswerbung der im Vergleich günstige Preis, stellt die Imagewerbung das beworbene Produkt in einen bestimmten Zusammenhang. Imagewerbung appelliert allein an das Gefühl. Der Slogan „Enjoy Coca Cola“ etwa wirbt nicht mit den Eigenschaften des Getränks. Coca Cola vermittelt mit seinen Anzeigen den Eindruck, dass Cola für Jugendlichkeit, Genuss und Freude steht. Es geht gar nicht darum, ob das Getränk gut schmeckt oder wach macht. Nur große Unternehmen wie etwa Apple, Ericsson oder Coca Cola können die gigantischen Summen aufbringen, die gute Imagewerbung erfordert. Denn sie funktioniert nur, wenn die Botschaft immer und überall wiederholt wird, denn es gibt keinen logischen oder inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Produkt und der Werbebotschaft. Kleine und mittelständische Unternehmen können sich solche Kampagnen nicht leisten. Außerdem erreicht auch die Imagewerbung nur zum Teil den gewünschten Empfänger. Eine 80-jährige sieht zwar den Apple-Spot in der Fernsehwerbung, kann damit aber nichts anfangen – wieder wurden Werbegelder per Gießkanne verteilt, ein teures, oft nutzloses Vorgehen. Es gibt noch einen weiteren Umstand, der klassischer Werbung den Todesstoß versetzt: die zunehmende Mündigkeit des Verbrauchers. Der Verbraucher ist erwachsen geworden und informiert sich selbst. Den Werbeversprechen traut er längst nicht mehr, denn zu oft ist er enttäuscht worden. Das vielfach beworbene Waschmittel wäscht eben auch nicht weißer als die anderen, das hat der Verbraucher schon gemerkt.
Die Werbung wandert in die digitale Welt
Die Tageszeitungen kämpfen ums Überleben. Ihre Existenz ist von der Schaltung von Werbeanzeigen abhängig. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger ging im Jahr 2009 das Anzeigenvolumen um 16 Prozent zurück. Von einer Erholung war auch 2010 nichts zu spüren. Nicht viel besser ergeht es den Fernsehsendern: Hier nahm das Werbevolumen um durchschnittlich 13 Prozent ab, wie Medienanalysten von Screen Digest ermittelten. Unter diesem Rückgang leiden die Werbeagenturen. Unternehmen investieren immer weniger in Kampagnen, die klassische Agenturen für Printmedien und Fernsehen entwickeln. Dafür fließen mehr Werbemillionen an Anbieter, die mit der digitalen Welt vertraut sind. Die großen Gewinner der Werbewelt sind die digitalen Medien. Mobile Ads, also Anzeigen, die auf Handys oder andere tragbare Geräte gesendet werden, legten 2009 um 18 Prozent zu. 2009 wurden etwa 80 Prozent mehr Werbekampagnen auf mobile Endgeräte verschickt als 2008, berichtet der Mobile Advertising Circle (MAC) im Bundesverband Digitale Wirtschaft. Auch die klassische Online- Werbung liegt weiter im Aufwärtstrend. Rund 1,6 Milliarden Euro betrug laut Nielsen das Volumen des Online-Werbemarktes 2009 und lag damit um 9,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Die Werbung wandert also langsam von der analogen in die digitale Welt – die Fachwelt kann das nur bestätigen. 93 Prozent der Agenturen sehen nach Angaben des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen GWA eine derartige Verlagerung. Der Verband schätzt, dass inzwischen rund 20 Prozent der Agenturleistungen im Onlinebereich erbracht werden. Auf den ersten Blick scheint die Welt der klassischen Werbung mit der Online-Werbung nicht vereinbar. Noch arbeitet der Großteil der Kreativen bei herkömmlichen Agenturen, die sich ausschließlich mit traditioneller Werbung beschäftigen. Sie kennen sich mit den Neuen Medien nicht aus oder lehnen diese sogar als Spielwiese für Teenager ab. Anders als die Digital Natives trauen sie sich nicht, die sozialen Netzwerke einfach einmal zu erkunden. Klassische Werber wagen sich nicht in die neue Welt, auch wenn sie viel über deren Möglichkeiten reden. Sie trauen sich nicht heran an den Speck der Werbemillionen, die in Internet-Werbung fließen und in Zukunft noch verstärkter fließen werden. Dabei muss niemand ein Crack in HTML- oder Flash-Programmierung sein, um online Werbung zu machen. Doch er muss sich mit den ungeschriebenen Regeln des Internets auskennen, um dort erfolgreich Kunden zu gewinnen. Auf der anderen Seite treten eine Menge junger Werber an den Start, die die herkömmliche Werbung verachten und meinen, alles besser zu können, weil sie ausschließlich auf das Internet und seine Möglichkeiten setzen. Die Digital Natives verkennen, welche Möglichkeiten die herkömmliche Werbung bietet. Es ist falsch, das Rad wieder neu zu erfinden. Denn die beiden Welten der klassischen Werbung und des Internets lassen sich vorteilhaft miteinander kombinieren und verschmelzen. Doch dazu muss man die Gesetzmäßigkeiten des Mitmachnetzes und der sozialen Netzwerke gut kennen. Es reicht nicht aus, mit den Methoden der klassischen Werbung ins Internet zu wechseln. Viele Werber setzen auf alten Wein in neuen Schläuchen und übertragen die Methoden der klassischen Werbung eins zu eins ins Internet. Das funktioniert aber nicht. Es ist einfallslos, anstelle eines Brief-Mailings nun eine Menge Mails zu versenden. Damit wird das Gießkannenprinzip nur fortgesetzt. Das Internet wiederholt gerade im Zeitraffer die Geschichte der herkömmlichen Werbung. Damit werden deren Methoden jedoch nicht effektiver. Natürlich ist es preiswerter, Mailings per Mail zu versenden als per Brief. Doch der Empfänger nimmt sie deshalb noch lange nicht besser wahr. In der Frühzeit des Internets waren animierte Werbefiguren noch lustig, jetzt aber nerven die Einblendungen, die sich vor die Webseiten schieben, sogar noch mehr als Printanzeigen oder Fernsehspots. Genauso, wie der Verbraucher Anzeigen in Zeitungen einfach überblättert, klickt er Werbeeinblendungen auf Webseiten weg.
Das Beste zweier Welten
Klassische Werbung verliert an Boden, doch sie wird dadurch noch lange nicht überflüssig. Es ist ein Fehler, im Überschwang der Begeisterung über die Möglichkeiten der neuen sozialen Netzwerke die klassischen Methoden über Bord zu werfen. Das hieße nur, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Vielmehr dienen die klassischen Methoden dem modernen Marketing als wichtiger Baustein. Die klassische Werbung findet einen neuen Platz als Bestandteil der integrierten Kampagnen. Es geht gar nicht darum, sich für die eine oder die andere Form der Werbung zu entscheiden. Richtig ist, die Vorteile beider Welten zu vereinen. Erst die Kombination der beiden Vorgehensweisen wirkt unschlagbar. Diese Kombi-Wirkung der Werbewelten wird noch nicht ausreichend erkannt. An Hochschulen ist diese Lehrmeinung bisher nicht vertreten, so dass die nachfolgende Generation der Werber auf learning by doing angewiesen ist.
Information – das Gold der Werbung
Menschen sind gierig nach Information. Diese finden sie nicht in der klassischen Werbung, in der häufig übertriebene Aussagen gemacht werden. Niemand vertraut mehr den Werbeversprechen. Hingegen suchen die Verbraucher aktiv nach unabhängigen Informationen. Sie lesen im Internet, was andere von einem Buch halten. Sie registrieren die Bewertungen anderer Hotelgäste, bevor sie buchen. Die Kunden durchforsten das Netz regelrecht auf der Suche nach handfesten Informationen. Damit ist der Verbraucher unabhängig geworden. Mit einigen wenigen Klicks kann er Werbeversprechen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Ein guter Ansatz für Online-Werbung ist daher, Informationen gratis zur Verfügung zu stellen, etwa Kostenrechner, Vergleichstests, Hinweise auf Internettools oder ähnliches. Dies zieht Menschen auf eine Webseite, die auf der Suche nach Informationen sind. Die Nutzer der Webseite registrieren, wer ihnen dieses kostenlose Angebot zur Verfügung stellt. Wenn es ihnen gut gefallen hat, bestellen sie eventuell den Newsletter, der auf der Seite angeboten wird. Die klassische Werbung hat ausgedient. Doch ein Ende ist immer auch ein Anfang: Neue Werbeformen werden die alten ablösen.
Dieses ist ein Auszug aus meinem Buch :
„Ich kenn dich – darum kauf ich“
Eine Leseprobe können Sie unter www.shop.nabenhauer-consulting.com anfordern.
Viel Freude beim lesen.
Robert Nabenhauer